Wenn das Wasser erkrankt

Die Gattung der Frischwasser liebenden Salmoniden (Lachse, Forellen) benötigt für den Erhalt der Spezies während der Laichperiode ein sehr enges Band an Temperatur und pH-Wert (ideal 7-11°C bei pH 7,0 – 7,5). Ein Anstieg von nur 2-3°C oder 1 pH darüber kostet bereits der Hälfte der Fischbrut das Leben. 

Vor etwa 10 Jahren stellte ich in meinem Fischereirevier (die obersteirische Enns) fest, dass es an natürlichem Nachwuchs fehlt, und die schweren kapitalen Forellen wurden ebenfalls immer seltener. Seit einigen Jahren werden in diesem Gewässer nur mehr sog. „Besatzfische“ gefangen, also Zuchtfische, die hier nicht aufgewachsen sind. Ich habe meine Fangberechtigungen für die Gewässer zurückgelegt, u.a. aus diesem Grund. Was ist passiert?

Regenbogenforelle im Enns Oberlauf, April 2010

 

Nähere Untersuchungen haben ergeben, dass es hier in diesem einstmals üppigen Fischereirevier zu einer Verkettung ungünstiger Umstände kam, welche mittlerweile auch in vielen anderen Gewässern zum Tragen kommen:

Die Regulierungen & Begradigungen – über weite Strecken fließt die Enns nicht mehr in ihrem ursprünglichen kurvenreichen tiefen Bett, wodurch die natürlichen Kühl- und Reinigungsmechanismen ausgeschaltet wurden. Die Folgen von Starkregen oder Schmelzwasser benötigten immer länger, um vom Gewässer verdaut zu werden.

Die Wasserkraftwerke – nahezu jeder Zulauf aus den wasserreichen Seitentälern besitzt zumindest ein oder mehrere Wasserkraftwerke. Die beiden Großstauwerke Sölk und Salza werden wechselweise geschaltet und entleert, wodurch der einst konstante Pegel der Enns in diesem Bereich nun ständig steigt oder fällt. 

Der höchste Strombedarf herrscht bekanntlich im Winter (Skigebiete & Tourismus), wenn die Bäche die geringste Wassermenge führen. In dieser Zeit pflanzen sich auch die Salmoniden fort.

Die regulierte Enns zwischen Flachau und Altenmarkt / Pongau.

 

Mehrfache Messungen über lange Strecken haben im Winter ergeben, dass das Wasser dieser Belastung nicht standhält und streckenweise pH-Werte bis 9,0 aufweist. Verschärft wird die Situation zusätzlich durch die geringe verbleibende Restwassermenge außerhalb der Turbinen. Neuerdings reihen sich noch die 

Schneeanlagen der Skigebiete in den Kanon der Wasserbenutzer und zapfen die großen Gewässer an, weil die Beschneiungsanlagen für Skipisten längst mehr Wasser verbrauchen, als der Berg hergibt. Im Schladminger Talbach führte dies vor einigen Jahren zu einem vollständigen Versiegen des Restwassers und infolge dessen zu umfangreichem Fischsterben. Unter solchen Belastungen ist kein Fließwasser langfristig lebensfähig.

pH-Messung Enns 1

pH-Messung Enns 2

pH-Messung Enns 3

 

 

Talbach Krafthaus, April 2010. Ganz unten im Bild die toten Fische
Bildausschnitt: Tote Fische im Talbach in Schladming, 4/2010
Ein wahrhaft "wildes Wasser": die erstickten Fische aus der Nähe
Rechts das Becken mit den toten Fischen, links die Ausläufe aus dem STEG Krafthaus - kein Restwasser mehr. April 2010